Über das Glück, Musiker zu sein
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Der Geiger ist am 22. und 23. Juli 2022 Gast bei „Klassik am Dom“. Wofür er die letzen zwei Jahre genützt hat und warum es Weihnachtslieder erst zum Nachtisch gibt, erzählt er hier.
Sie gaben im Sommer ein Konzert im Linzer Mariendom: Wie haben Sie dieses Konzert erlebt?
David Garrett: Es war ein sehr schöner und emotionaler Moment, im Linzer Dom zu spielen und hier Musik machen zu dürfen. Zudem bietet der Linzer Dom eine unglaublich tolle Kulisse. Abgesehen davon mag ich die Stadt Linz sehr gerne.
Es war auch eines der wenigen Konzerte, die wir coronabedingt überhaupt spielen konnten und das auch mit einem etwas größeren Publikum. Deshalb war das für mich auch sehr emotional, dort zu spielen und das Konzert auch gleichzeitig für den ORF aufzuzeichnen. Dementsprechend freue ich mich natürlich auch jetzt schon sehr darauf, nächstes Jahr im Juli nicht im Dom, sondern vor dem Dom aufzutreten.
Wie gelingt es Ihnen, mit Ihrer Musik Genregrenzen zu überwinden und Menschen zu verbinden?
Garrett: Ich glaube, das Wichtigste ist, dass man weiß, wo man sein Zuhause hat. Mein Zuhause ist die klassische Musik. Und ich glaube, wenn man Musik und Komposition studiert und sich mit Musik über Jahrzehnte beschäftigt hat, bekommt man auch ein gewisses Gespür.
Ein anderes Wort für Gespür wäre Geschmack, Instinkt. Geschmack muss man auch erlernen und erarbeiten. Man muss viel ausprobieren. Es ist ein stetiger Prozess, sich Wissen anzueignen und das dann auch umzusetzen.
Auf die Gesellschaft umgelegt: Wie gelingt es hier, Grenzen zu überwinden? Kann die Musik einen Beitrag leisten?
Garrett: Musik – und das ist das Schöne und deswegen bin ich gerne Musiker – hat nie gesellschaftliche Grenzen gehabt und wird nie Grenzen haben. Wer im Publikum sitzt, kommt nicht, weil er politisch motiviert ist, sondern weil er Spaß hat an dem, was ich tue, und weil er Freude an der Musik hat.
Kunst und Kultur sind dafür da, alle Menschen zu vereinen und sie wieder zusammen zu bringen – und das ist auch unsere Aufgabe. Und genau deshalb vermisse ich Kulturveranstaltungen und Konzerte, weil sie die Gesellschaft zusammenbringen. Wenn die Türen für Konzerte wieder offen sind, dann wird die Gesellschaft, auch wenn hier und da eine Spaltung passiert ist, wieder zusammengeführt.
Corona heißt neben Krankheit und Tod auch Lockdown, zuhause bleiben, keine Kultur: Wie schaffen Sie es in Zeiten wie diesen, nicht trübsinnig zu werden?
Garrett: Ich habe das große Glück, dass ich Musik machen kann und darf. In den letzten zwei Jahren hatte ich nicht weniger Arbeit als die Jahre davor.
Nur hatte ich andere Aufgaben: Zum Beispiel habe ich eine Autobiographie geschrieben. Sie kommt im März nächsten Jahres heraus. Ich hatte zum allerersten Mal Zeit und Muße, mein Leben, die Erfahrungen und Begegnungen, schöne und schlechte Momente aufzuschreiben. Nächstes Jahr kommt auch wieder ein klassisches Album auf den Markt. Wir haben da schon einen Großteil des Albums aufgenommen.
Alles, was ich beruflich bedingt auf die lange Bank geschoben habe, haben wir in den letzten zwei Jahren angepackt. Es gab keinen Leerlauf. Und: „Life gives you lemons? Make lemonade.“
Wenn das Leben nicht positiv läuft, dann mache es für dich positiv. Die positive Einstellung, gerade in einer schwierigen Situation, ist das Wichtigste: Natürlich kann man den Kopf in den Sand stecken, aber das führt dann zu keinem positiven Ergebnis. Ich hab auch solche Momente, aber dann sage ich: ‚Nein!‘ Einmal rütteln, ich werde etwas hinbekommen, vielleicht nicht morgen oder übermorgen, aber etwas, das in ein paar Monaten Früchte tragen wird.
Wie werden Sie die Weihnachtsfeiertage verbringen: Welche Musik gibt es bei Ihnen zu hören? Spielen Sie auch Weihnachtslieder?
Garrett: Den 24. Dezember werde ich mit meiner Familie in Deutschland verbringen, entspannen und die Zeit reflektieren. – Ich fange immer mit Klassik an, wenn dann im Laufe des Abends nach einem Weihnachtslied gefragt wird, dann werde ich das natürlich auch spielen. Es ist nicht das Erste, womit ich anfange. Es ist dann eher der Nachtisch.«