erschienen: 30.03.2016 16:58 Uhr
zuletzt bearbeitet: 04.04.2016 06:00 Uhr
Interview
David Garrett: "Ich brauche privat keinen Rummel"
Stargeiger David Garrett geht auf „Recital“-Tour. Vorab verrät er uns, was er nach Feierabend gern macht und warum ihm sein aktuelles Album „Explosive“ so wichtig ist.
Das Gespräch führte Steffen Rüth
Herr Garrett, auf dem Cover ihres aktuellen Albums „Explosive“ sehen Sie aus, als sei jedes einzelne ihrer wallenden Haupthaare gemalt worden. Sie müssen eine gute Bildbearbeitungssoftware haben.
Von wegen. Das ist alles echt! Das Foto ist ein Schnappschuss aus der Bewegung heraus. Der wilde Schwung der Haare kommt aus meinem Nacken. Das Foto sieht aus, als stamme es aus einem Heavy-Metal-Konzert.
Kann man sagen, Sie sind motiviert bis in die Haarspitzen?
Immer und sowieso. Die Haarspitzen sind weit weg. Insofern: Total motiviert. Ich glaube, ich könnte auch noch auf dem Sterbebett Werbung für dieses Album machen. „Explosive“ ist für mich das allerwichtigste Album meiner Karriere.
Warum das?
Weil es das erste Mal ist, dass ich hauptsächlich eigene Kompositionen auf einer Platte habe. Gut zwei Drittel der Songs stammen von mir selbst. Nach zwei Alben, die pur klassisch waren, habe ich mich wahnsinnig darauf gefreut, wieder ein Crossover-Album mit Pop- und Rockeinflüssen zu machen. Also habe ich mich extrem angestrengt, den Geschmack, den ich selbst im Kopf und im Herzen habe, in diese Stücke zu übertragen. Sie sollten modern sein, zeitnah, wertig und viele Menschen erreichen. Ich bin sehr stolz darauf, dass ich endlich die Eier in der Hose hatte, um als Komponist zu agieren.
Braucht man zum Selbstschreiben Erfahrung?
Naja, Erfahrung müsste ich ja wohl haben. Ich habe das ja gelernt und Komposition studiert. Aber so ein Crossover-Album zu schreiben, das ist natürlich eine Herausforderung. Die Songs müssen interessant sein und auf meinem Instrument funktionieren. Klar, ich habe coole Musik gecovert, Metallica, Nirvana, Michael Jackson, Beethoven und Mozart. Man ist verdammt ehrgeizig, wenn man eigene Sachen macht. Man möchte es ja nicht schlechter machen als die großen Meister. Da verbringt man schon viele Nächte damit zu überlegen, wie das überhaupt hinhauen kann.
Ihre eigenen Songs sollten also so großartig werden wie die von Mozart oder Michael Jackson?
Ja. Oder noch ein Stück besser. Ich kenne natürlich die Geige und weiß, wie bestimmte Sachen klingen und wie sie mit Orchester funktionieren. Das ist mein großer Vorsprung. Wenn ich selber schreibe, bin ich natürlich viel freier, als wenn ich mich an ein Original anlehne.
Und ihre Musik verfolgt Sie im Ernst bis in den Schlaf?
Ja, das passiert ständig. Ich liege dann da und lausche den Ohrwürmern, die ich in meinem Kopf eingepfercht habe. Die Melodien sind nämlich für mich die Sahne auf dem Kuchen, die mache ich immer als letztes. Wenn der Kuchen, sprich das Stück, gut ist, schmeckt es auch ohne die Sahne. Aber erst die Sahne macht es richtig geil.
Sie veröffentlichen jedes Jahr im Herbst ein neues Album und sind ansonsten ständig fast überall auf der Welt auf Tournee. Ist das nicht der totale Wahnsinn?
Richtig. Total deutsch von mir, was?
Hätten Sie nicht mal Lust, drei Monate zum Beispiel auf Ibiza abzuhängen?
Was soll ich denn auf Ibiza?
Das war jetzt ein Beispiel.
Für einen Abend ist so etwas interessant, aber dann? Ist es doch immer wieder das Gleiche. Langweilig. Drei Monate Ibiza wären der Genickbruch für das, was ich alles vorhabe. Ich spiele in Südamerika inzwischen vor 15 000 Leuten, Nordamerika läuft wie geschnitten Brot, Südostasien sowieso. Ich versuche mich so aufzuteilen, dass jeder Markt etwas von mir hat.
Wissen Sie nichts mit sich anzufangen, wenn Sie nicht arbeiten?
Ich muss nicht ständig arbeiten, aber ich liebe es, etwas zu schaffen. Ich liebe es, abends ins Bett zu gehen und zu denken „Das war ein produktiver Tag. Wenn ich an einem Tag mal nichts erreicht habe, bin ich unzufrieden und denke „Wozu war der Tag jetzt gut?“ Es ist nicht so, dass ich nicht genießen kann, doch ich bin schon sehr streng zu mir. Egal wo, egal wie, ich muss jeden Tag irgendwas reißen, irgendwas auf die Beine stellen, irgendwas probieren. Und wenn man auf die Fresse fliegt dabei, dann rappelt man sich auf und probiert es nochmal.
Sie interpretieren auf „Explosive“ auch „Lose yourself“ von Eminem. Geht es in dem Song nicht darum, verloren und verzweifelt den Ausweg aus einer Krise zu suchen? Kennen Sie so etwas?
Für mich geht es in der Nummer vor allem darum, wie jemand sein Selbstbewusstsein sucht. Wie jemand immer wieder scheitert, aufsteht, sich durchkämpft. Am Anfang klappt es nicht, und dann doch. Gedanken kann ich mich zu hundert Prozent identifizieren. Die Verzweiflung und die Energie, es wirklich zu schaffen, ein Stehaufmännchen zu sein, diese Gefühle kenne ich zur Genüge.
Sind Sie derzeit Single?
Hahaha. Vielleicht, vielleicht auch nicht. Es ist schwierig.
Ich merke schon, das ist jetzt nicht so ihr Lieblingsthema.
Wenn diese Fragen kommen, dann atme ich immer tief ein und tief aus und hoffe, dass sie vorüberziehen.
Kann es sein, dass in ihr Leben mit all den beruflichen Aktivitäten und dem Erfolgshunger eine Partnerin überhaupt nicht hineinpassen würde?
Das kann ich nicht so eindeutig beantworten. Fakt ist, dass die Karriere mir extrem wichtig ist und an erster Stelle kommt. Ich weiß, dass ich nicht in einer Partnerschaft leben muss, um glücklich zu sein.
Wie verbringen Sie denn ihre ruhigen, privaten Momente?
Meistens alleine.
Ist das nicht ein bisschen traurig?
Überhaupt nicht. Ich kann gut allein sein und bin das auch gewohnt. Ich gehe gern spazieren. Oder ich treffe mich mit einigen, wenigen Freunden, um zu quatschen. Ich brauche privat keinen Rummel.
Ihr Feierabend ist also auch nicht aufregender als der von anderen Menschen?
Manchmal liege ich auch einfach nur auf der Couch und gucke, was in der Glotze läuft. Ich brauche diese ruhigen Momente.
Das kann man sich kaum vorstellen.
Das höre ich von vielen, die mich nur aus dem öffentlichen Leben kennen. Es ist aber so. Ich kann die Lethargie in Person sein. Man muss ab und zu Atem holen, damit man danach wieder durchstarten kann. Nur High Energy geht nicht. Egal, wie schnelllebig alles ist, irgendwann ist auch mal Ruhe im Karton.
Auf ihrer Schmuseballade „Serenity“ singt Nicole Scherzinger. Wäre das keine Frau für Sie?
Nicole hat eine tolle, klare, farbenreiche Stimme, die sonst in ihrer Musik gar nicht so zur Geltung kommt. Sie ist ein zuckersüßer Mensch, und ich komme super mit ihr zurecht. Nicole ist Vollprofi, genau wie ich. Wenn sie etwas 50 Mal gesungen hat, dann will sie es noch ein 51. Mal probieren, weil sie denkt, es geht noch einen Tick besser.
Sie covern „Wrecking Ball“ von Miley Cyrus. Also wer ist eher ihr Typ: Miley oder Nicole?
Die sind ja beide total unterschiedlich!
Eben drum.
Ich kann das nicht beantworten. Miley kenne ich nicht persönlich. Und Nicole ist toll.
Treffen da zwei Sex-Symbole aufeinander?
Naja, danke für die Rosen, ich freue mich. Aber ich finde es immer schwierig, mich selbst so zu sehen. Ich kenne mich ja auch in Situationen, in denen ich verdammt scheiße aussehe, wenn ich mich beispielsweise nach einer langen Tour aus dem Bett quäle, in den Spiegel schaue und denke „Eieiei“. Spurlos geht dieses Leben auch an mir nicht vorbei.
Wie halten Sie dagegen?
Ab ins Fitnessstudio! Von nix kommt nix, man muss immer wieder den inneren Schweinehund überwinden. Und die geliebte Couch dann eben doch verlassen. Ach, aber ich finde es schön, Falten zu bekommen. Die zeigen ja ein Stück weit auf, dass du was geleistet hast und dass du deinen Körper im positiven Sinne benutzt hast, um etwas Tolles zu schaffen. Altersspuren sind für ich Kampfverletzungen ich finde die geil.
Sie haben vor zwei Jahren in „Der Teufelsgeiger“ den Kollegen Paganini gespielt. Haben Sie weitere Filmpläne?
Ich würde sehr gern noch mal Filmmusik schreiben, aber vor der Kamera stehen? Das muss nicht mehr sein.
Wie finden Sie das, wenn Kinder wegen ihnen mit dem Geigenspiel anfangen?
Ich bekomme das oft mit und sehe es immer mit einem lachenden und einem weinenden Auge. Cool finde ich, wenn Kinder selbstständig und freiwillig anfangen zu spielen. Aber ich kenne es leider aus meiner eigenen Kindheit, dass, falls Talent vorhanden ist, oft ein wahnsinniger Druck durch Menschen entsteht, die etwas mit diesem Talent anfangen wollen. Und zu diesen Menschen gehört selten die Person, die selbst das Instrument spielt. Ich freue mich also, wenn Kinder Spaß an der Geige haben und hoffe, dass der Spaß Spaß bleibt und nicht zur Verantwortung wird.
Sie selbst waren, unter anderem auf Betreiben ihrer Eltern schon mit zwölf, 13 Jahren Profi.
Richtig.
Würden Sie ihre eigenen Kinder, so sie mal welche haben sollten, auch möglichst früh zur Musik hinführen?
Nein! Ich glaube, es reicht, wenn ein Familienmitglied den ganzen Tag mit dem Instrument rummacht. Das wäre sonst ja unerträglich für meine Partnerin. Auch noch ein Geige spielendes Kind? Da dreht die ja durch.
David Garrett live
Am 9. Mai um 20 Uhr führt die „Recital“-Tour David Garrett in die Arena nach Nürnberg. Und am 21. November um 20 Uhr tritt er dort mit großem Orchester auf. Karten dafür gibt es im Ticketshop unserer Zeitung.
http://www.np-coburg.de/freizeit/tipps/ … 12,4753231
За находку спасибо Наде Берестневой! [взломанный сайт]