Китч, пираты и цыганские напевы: Дэвид Гарретт с симфоническим концертом в Веймаре
Kitsch, Piraten, Zigeunerweisen: David Garrett im Weimarer Sinfoniekonzert
Ein Mädchen juchzt auf, als David Garrett die Weimarhalle betritt. Das ist eine in diesem Rahmen nicht vorgesehene Lautäußerung und wird vom Publikum mit amüsiertem Gelächter quittiert. Dies ist ein Sinfoniekonzert, ein Abonnementskonzert zudem, und David Garrett betritt nicht als Popstar die Bühne, sondern als Violinsolist. Am Ende des Konzerts bleibt die Hoffnung, dass ihm der Popstar besser liegt.
12. Januar 2010
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Das Sinfoniekonzert mit dem umjubelten David Garrett zog nicht nur Fans der klassischen Musik in die Weimarhalle, sondern vor allem Anhänger des geigenden Pop-Idols. Foto: ddp
In einer mehr als ausverkauften Weimarhalle spielte gestern der Stargeiger David Garrett und die Staatskapelle Weimar. Foto: ddp
Weimar. "Wunderschön" sei die Vocalise von Rachmaninow, "wunderschön" der Salut damour von Elgar, "wunderschön" auch Schuberts Serenade. "Wunderschön" ist nicht nur David Garretts Lieblingsadjektiv, es ist das einzige Wort, das er für die Musik übrig hat, die er an diesem Abend in der mehr als ausverkauften Weimarhalle spielt. Wenn er spricht, und das tut er zwischen einigen Stücken reichlich "Ist das in Ordnung mit euch?" , dann redet er über sich selbst, erzählt Anekdoten, Tournee-Erlebnisse. Das ist nur konsequent. Schließlich sind die Zuhörer darunter der Kultusminister , mit Ausnahme allenfalls des üblichen Abonnementspublikums, nicht wegen der Musik hier, sondern seinetwegen.
Ein umjubelter schöner Stargeiger, ein Pop-Idol, ein Teenieschwarm, in Weimar, mit der Staatskapelle: Das hat man nicht alle Tage. So ein Programm auch nicht. Es ist kein Sinfoniekonzertprogramm, es ist eine Zugaben-Abfolge, ein Hitparaden-Auszug; "die Klassiksachen" sagt Garrett dazu.
Er bevorzugt Balkanisches und getragen Romantisches, das in seinen Bearbeitungen zu süßlicher Kitschklassik wird. Brahms Ungarischer Tanz Nr. 5 beginnt in der Garrett-Version mit einem bis zur Unkenntlichkeit verlangsamten Vorspiel, ist mit Wiederholungen gestreckt, mit Hornsoli aufgepeppt. Wozu? Um eines der populärsten Stücke noch massentauglicher zu machen? Um dem Stargeiger mehr Gelegenheit zum Brillieren zu geben? Aber Garrett brilliert ja kaum. Mit dem Ungarischen Tanz könnte und müsste er sich an die Rampe spielen, könnte wie ein Zigeunerprimas dominieren. Er tut es nicht.
Der Solist in Schwarz bleibt zurückhaltend, verlässt nie den Winkel zwischen seinem Barhocker und dem Dirigentenpult, orientiert sich nach hinten, zum Orchester, lässt seine Soli eher säuseln als strahlen. Als hätte er in seinen Pop-Klassik-Cross-over-Konzerten verlernt, ein Instrument zu spielen, das nicht elektronisch verstärkt wird; als fühle er sich unsicher ohne Rockband.Garrett genießt einen Ruf als schnellster Geiger der Welt wie eine Zirkusnummer. Aber als er halb so alt war, da errang er die Bewunderung von Yehudi Menuhin und Isaac Stern mit seinem Talent, mit der Schönheit seines Spiels. Zu Konzertbeginn, bei Sarasates Zigeunerweisen, lässt sich diese Schönheit erahnen: gesanglich der Klang, edel geformt die Töne; das Lento fließt wie Honig. Später, bei der zum Kitsch degradierten, völlig humorlos gespielten Dvorˇák-Humoreske, wird eine klumpige Zuckerschicht daraus, verkratzt der 29-jährige Geiger die Töne.
Und nichts macht die Langeweile erträglich, die die zerdehnte Garrett-Orchester-Variante von Rachmaninows Vocalise ausstrahlt. Mit den Stücken, die sie ohne ihren Solisten spielt, fügt sich die Staatskapelle ins Top-Ten-Programm. Hits aus "Carmen", die Ouvertüre zur "Verkauften Braut"; Dirigent George Pehlivanian führt den Taktstock mal wie ein Florett, mal wie eine Reitgerte, er zeigt, dass er die Klaviatur der Showeffekte beherrscht vielleicht besser als der Stargast.
Es dauert, bis Garrett und das Orchester miteinander warm geworden sind; es dauert bis fast zum Finale. Von der Filmmusik zu "Pirates of the Caribbean" darf man halten, was man will, aber hier können alle befreit loslegen, brauchen nicht mehr so zu tun, als spielten sie ein regelrechtes Sinfoniekonzert. Nach dem Monti-Csárdás, den er so elegant wie schwerblütig zelebriert, verabschiedet sich David Garrett mit einer letzten pfiffigen Zugabe. Als sei der Charme, der ihm im Konzert fehlte, plötzlich doch noch erwacht. Vielleicht ist es dieser Charme, der die Teenies zum Juchzen bringt, gepaart mit Garretts Star-Aura und dem Sound einer Rockband. Garretts Geigenspiel allein kann es nicht sein.
Frauke Adrians / 12.01.10