«Ich habe auch schon im Cockpit gespielt»

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Свеженькое интервью с Дэвидом в швейцарской прессе!

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пока на немецком

David Garrett über harte Zeiten in New York und die Vorzüge der Langsamkeit.

Früher war er das Wunderkind der klassischen Musik. Später spielte er den «Hummelflug» von Rimski-Korsakow in 65,26 Sekunden und wurde damit zum schnellsten Geiger der Welt. Heute ist er der Popstar unter den Violinisten, der die grös-sten Hallen füllt. David Garrett, 36, meldet sich wie vereinbart an einem Sonntagnachmittag am Telefon. «Hallo, hier David, von mir aus können wir gleich loslegen.»

David Garrett, über 20 Konzerte in einem Monat – das klingt nach Stress, obwohl Sie mal gesagt haben, dass Sie diese Hektik in Ihrem Leben nicht mehr haben wollen.
Das stimmt, diese Wochen werden sehr anstrengend. Es werden aber auch wieder ruhigere Phasen kommen. Dann kann ich mich erholen. Doch allzu lange wird es nicht dauern, bis ich wieder denke: Es wäre schön, wenn ich kreativ mehr gefordert würde.

Auf Ihrer «Explosive Live»-Tour machen Sie Crossover-Musik, verbinden Rock und Klassik. Welches Publikum sitzt denn nun am 5. Dezember im Zürcher Hallenstadion?
Also ich habe nicht alle persönlich eingeladen, weiss aber trotzdem, was da auf mich zukommt, wenn ich auftrete. Ich bin ja oft im Saal unterwegs, wenn ich geige, und sehe da eine wunderbare Mischung: Es sind nämlich mehrere Generationen da, darunter auch sehr viele junge Menschen. Das war genau das, was ich mir immer gewünscht habe.

Und wenn Sie am 15. und 16. März mit dem Sinfonieorchester Basel Tschaikowski spielen, wer lauscht dann Ihren Klängen? Schon eher die Über-50-Jährigen, oder nicht?
Gar nicht. An meine Klassikkonzerte kommen mehrere Generationen und unter ihnen viele Junge. Crossover zu machen, war zu Beginn sozusagen Mittel zum Zweck, um Aufmerksamkeit zu schaffen und die Faszination für klassische Musik zu wecken, damit die Zuschauer mich auch in diesen anspruchsvolleren Konzerten sehen wollen. Zugleich macht es mir sehr viel Spass und fordert mich auch kreativ, also ist es eine gute Sache. Ich würde deshalb nur sehr ungern auf eine der beiden Richtungen verzichten.

Was hören Sie selber gerne, wenn Sie nicht gerade im Konzertsaal stehen?
Da lasse ich mich überraschen. Deshalb höre ich viel Radio, wo ich stets auf Neues stosse. Dieses Unerwartete gefällt mir, egal, ob Rock, Pop oder Klassik gespielt wird.

Sie haben viele Höhen und Tiefen durchgemacht und 
… (unterbricht) … mein Leben hat insgesamt gesehen eine wunderbare Konstanz, aber kein Leben verläuft immer nur geradlinig.

Nach den Jahren als Wunderkind verschwanden Sie aus dem Rampenlicht. Mit 19 gingen Sie nach New York und mussten Nebenjobs annehmen und in U-Bahn-Stationen spielen, um sich den Lebensunterhalt zu sichern.
Ja, aber ich ging nicht in die USA, weil ich deprimiert war. Sondern weil ich ein Ziel vor Augen hatte. Ich musste nicht nach New York, wo ich ganz auf mich alleine gestellt war, sondern ich wollte dorthin. Der Wegzug von Zuhause in die Fremde war also etwas Positives. In mir brannte das Feuer, ich wollte etwas Tolles auf die Beine stellen und meinen Traum erfüllen. Ja, ich habe hart gearbeitet, aber nicht darunter gelitten. Denn es war eine wahnsinnig spannende Zeit. Wenn du ein Ziel vor Augen hast, macht dir der Weg dahin viel mehr Spass.

Es war zugleich eine Abgrenzung vom Elternhaus.
Ja, das kann man so sagen. Allerdings sehe ich das mittlerweile ein bisschen differenzierter. Bei mir war der Ablöseprozess sicher spezieller, weil meine Eltern zuvor aufgrund meines jungen Alters in meine Karriere involviert waren.

In New York wurde das Geigenspielen aber zu «Ihrer Sache», wie Sie einmal in einem Interview erklärt haben.
Ach, es wird so viel geschrieben, davon kann man auch einiges wegschmeissen … (Lacht.)

… hoffentlich gilt das nicht auch für dieses Interview. Das wäre schade.
Natürlich nicht. Was ich damit wohl sagen wollte: Wenn man schon als Kind etwas so gut und gleichzeitig so lange macht, fehlt der Schlüsselmoment, in welchem einen die Eltern mit 14 oder 15 fragen: «Willst du das auch beruflich machen? Du triffst jetzt die Entscheidung!» Das aber passiert oft nicht. Es ist einfach ganz normal, dass du Geige spielst und in diesem Alter die Dinge noch nicht hinterfragst. Irgendwann ändert sich das dann, man entwickelt eine Eigenständigkeit und sucht seine Identität. Dann fragt man sich: Warum mache ich das eigentlich? Und: Möchte ich das überhaupt? Bei einem Musiker ist das vielleicht noch wichtiger als bei vielen anderen Berufen. Schliesslich kann er noch 50 oder 60 Jahre weitergeigen, er ist ja kein Spitzensportler, dessen Karriere mit 35 zu Ende ist.

Sie haben sich also ungewollt Zeit gelassen mit der Entscheidung.
Naja, was heisst ungewollt? Im Alter von neun oder zehn Jahren wirst du das so natürlich nicht gefragt und hast als Kind ohnehin keine Antwort darauf. Also habe ich meine Entscheidung fürs Geigenspiel später treffen müssen. Aber ab jenem Moment, in dem mir klar war: Das will ich und da bin ich gut, war ich mit voller Begeisterung und Leidenschaft dabei.

Welchen Rat haben Sie für Eltern, die ihr Kind ein Instrument spielen lassen wollen?
Ich glaube, da kann man erst richtig mitfühlen, wenn man selber Kinder hat. Ich kannte bisher nur die Perspektive aus der Sicht des Kindes.

Versuchen Sie es trotzdem.
Ein Ansatz könnte sein: Motivation kommt von der Musik selber. Wenn ein Kind talentiert ist, muss man nur eines vermitteln: Spass. Alles andere ist nicht gut.

«
Ich habe als Kind viel mehr geübt, als es mir Spass gemacht hat.»
Wie viele Stunden haben Sie als Kind geübt?
Natürlich viel mehr, als es mir Spass gemacht hat – wie das halt bei Kindern so ist.

Wären Sie so gut geworden, wenn Sie nicht so viel geübt hätten?
Schwierige Frage und zwar deshalb, weil sich alles jederzeit in tausend verschiedene Richtungen entwickeln kann. Es gibt keine richtigen Antworten. Wir könnten nun alle Möglichkeiten durchgehen, aber dann würde es sehr spät werden und der Sonntagnachmittag wäre auch für Sie vorbei.

Sie haben vorhin die Spitzensportler erwähnt. Diese fallen nach grossen Ereignissen, auf die sie lange hingearbeitet haben, oft in ein Loch. Wie sah dies bei Ihnen in der Vergangenheit aus?
Bei mir sind die Lichter auf der Bühne immer an, also kann ich auch nicht in ein Loch fallen.

Formulieren wir es anders: Nicht wenige Menschen machen nach einem grossen Ziel, das sie erreicht haben, oft eine Krise durch.
Also diese Metapher mit dem Loch, die Sie verwendet haben, finde ich um einiges witziger! Nein, ich hatte noch nie eine Krise nach einer grossen Tour. Im Gegenteil. Ich bin froh, wenn ich endlich wieder einmal zu Hause bin, die Koffer auspacken kann und einfach mal die Beine hochlagern darf, ohne dass ich bereits wieder in drei Stunden abgeholt werde. Das ist ein schönes Gefühl und gut für Seele und Körper. Es ist bei mir nicht anders als bei einem ganz gewöhnlichen Angestellten: Wichtig ist, die Balance zwischen An- und Entspannung zu finden. Zu viel Arbeit ist nicht gut, zu viel Entspannung irgendwann auch nicht.

Wie entspannen Sie sich?
Indem ich die Dinge bewusst sehr langsam angehe und mir viel Zeit lasse. Denn das ist in meinem Beruf, wo so viel los ist und es Schlag auf Schlag geht, sehr schwierig. Ich versuche die Zeit zu dehnen mit Tätigkeiten wie Tee trinken oder Spazierengehen.

Reden wir über Ihre Geige. Stimmt es, dass die 1716 gebaute Stradivari einen Wert von mindestens fünf Millionen Euro hat?
Das mit dem Wert ist immer so eine Sache. Lieber rede ich darüber, wie viel sie mir emotional wert ist. Ich bin sehr stolz und froh, dass ich auf ihr spielen darf und würde sie für nichts in der Welt tauschen. Es ist eine Ehre, auf ihr zu spielen.

Wenn Sie auf einer ganz gewöhnlichen Geige spielen würden, wie gross wäre dann der Unterschied?
Sie würden ihn nicht hören, ich hingegen schon. Gerade in einem grossen Saal ist die Tragfähigkeit bei einer guten Geige um ein Vielfaches besser. Im Hotelzimmer hingegen wäre kein grosser Unterschied zu merken.

Der verrückteste Ort, wo Sie schon mit Ihrer Geige spielten?
Lassen Sie mich einen Moment überlegen …

… auf dem Himalaya oder in der Antarktis vielleicht?
Nein, das wäre der sichere Tod für mein Instrument. Da fällt mir eine Geschichte ein, die ich noch nie erzählt habe: Als Kind im Alter von sieben Jahren siehst du besonders süss aus, die Stewardess ist deshalb schnell einmal grosszügiger als sonst. Jedenfalls durfte ich ins Cockpit gehen und als die Piloten hörten, dass ich Geige spiele, baten sie mich um ein Ständchen. Das war eine einmalige Sache, wie ich da vorne zwischen den Piloten gegeigt habe. Heute wäre das aus Sicherheitsgründen natürlich undenkbar, da würde ich verhaftet werden, egal, wie schön ich spiele. Aber vor bald 30 Jahren war das noch möglich.

In Zürich gibt es vor dem Konzert ein «David Garrett Event Menu». Es gibt Kalbs-Rib-Eye auf Portwein-Schalottenjus, Mini-Gemüse und Kräuterkartoffelstock. Oder aber die vegetarische Variante: Bio-Tofu-Gemüsespiess mit Steinpilzen an Portwein-Schalottensauce und denselben Beilagen. Für was würden Sie sich entscheiden?
(Seufzt tief.) Das klingt beides sehr verlockend, aber da möchte ich mich jetzt lieber noch nicht festlegen. Je nach Appetit werde ich das am Tag selbst entscheiden. Die Schweizer Küche weiss ich aber auf jeden Fall zu schätzen – so oder so!