David Garrett: Ich habe viele Stunden investiert, um es an die Weltspitze zu schaffen
Новое интервью с Дэвидом от издания FOCUS
https://www.focus.de/finanzen/news/star … Yg-5MNS0lw
Дэвид сообщил на своей странице на фэйсбуке о выходе интервью:
https://www.facebook.com/davidgarrettof … 1MuNSgUqRl
Mittwoch, 22.06.2022, 13:04
David Garrett hat seine Autobiografie veröffentlicht. Im FOCUS-Online-Interview gibt er Einblicke hinter die Kulissen seines Buchprojekts. Der Stargeiger erzählt, warum Disziplin und vernetztes Denken wichtig für seine Karriere waren.FOCUS Online: Wie kam es zum Buchtitel „Wenn Ihr wüsstet“? Was ist die Idee dahinter?
David Garrett: Der Buchtitel kam mir spontan beim Schreiben. Ich hatte zwei Ideen. Der eine Titel war „Hinter den Kulissen“ und der andere „Wenn ihr wüsstet“.
Hinter den Kulissen“ war dann eher die 1B-Variante. Ich fand „Wenn ihr wüsstet“ sehr spannend, denn ich werde seit ungefähr zehn Jahren in Interviews immer auf dieselben Sachen angesprochen. Und ich glaube, wenn man so lange im Geschäft ist wie ich und dabei so viele Interviews gibt, dann ist nach einer gewissen Zeit jedes Interview langweilig ... Weil es halt immer wieder heißt, wie ich denn angefangen habe Geige zu spielen? Oder was ich für ein Instrument spielen würde. Das kann man ja alles auf Wikipedia nachschauen.
Für mich war es wichtig mit diesem Buch für all die Interviews viele neue Gesprächs-Themen aus meinem Leben zu schaffen. Dementsprechend fand ich den Titel „Wenn ihr wüsstet“ sehr ansprechend, weil ich viele Geschichten erzähle, die mir viel bedeuten. Und für gewöhnlich würden all diese Stories in einem normalen Interview sonst nie angesprochen werden
Was war das verrückteste Erlebnis in der Entstehungszeit Ihres Buches?
David Garrett: Es gibt tatsächlich wirklich große Konzerte, die ich nicht mehr in Erinnerung hatte. Weil sie in einer Zeit stattgefunden haben, in der ich so viel gemacht habe. Ein tolles Beispiel hierfür ist Folgendes: Ich habe im Hyde Park in London vor 150.000 bis 200.000 Leuten gespielt. Und ich konnte mich einfach nicht mehr an das Konzert erinnern!
Ich musste erst über YouTube den Fernseh-Ausschnitt ansehen. In dem Augenblick realisierte ich erst, was das damals für ein absoluter Wahnsinn war! Vor so einer Kulisse spielen zu können. Und dennoch hatte ich daran überhaupt keine Erinnerung mehr. Das fand ich absolut irre! So gab es dann verschiedene Momente in meinem Leben, die ich mir für die Recherche visuell erst einmal zurückrufen musste.
In Ihrer Autobiografie verraten Sie, dass Sie in Ihrem Leben die asphaltierten Straßen stets gemieden haben und bewusst nach ungepflasterten Wegen suchten. Was hat den Reiz dafür ausgelöst?
David Garrett: Weil ich es spannend finde Sachen zu machen, die noch niemand zuvor gemacht hat. Ich suche quasi nach Dingen, die es noch nie gegeben hat. Bestes Beispiel dafür sind die QR-Codes in meinem Buch. In Restaurants habe ich immer diese QR-Codes gesehen, über die man sich das Menü ansehen konnte. Mein erster Gedanke war dabei, dass es schade ist, dass es keine Videos von dem Essen gibt …
Beim Buchschreiben ist mir dann aufgefallen, dass meine Eltern von mir als Kind so viele Videos und Super-8-Aufnahmen gemacht haben. Die kann ich alle digitalisieren lassen und in das Buch jeweils in die Kapitel einsortieren. Wie fantastisch ist es, wenn man ein Kapitel liest und danach nicht nur eine visuelle Empfindung von der Story hat, sondern wirklich live und in Farbe aus der Zeit Videos von mir sieht. Videos, die es sonst nirgendwo zu sehen gibt. Sozusagen eine Premiere von Sachen, die eigentlich zuhause verstauben würden.
Das gab es noch nie?
David Garrett: Zumindest weltweit noch in keiner Autobiografie und ich garantiere, dass das in der Zukunft viele Autobiografien genau haben werden! Das ist doch eigentlich das kreative Schaffen - das Streben nach Innovation.
Lassen Sie uns das vertiefen. Inwiefern würden Sie sagen, dass vernetztes Denken, also der Blick über den Tellerrand hinaus, rückblickend ein Erfolgs-Faktor in Ihrer Karriere war?
David Garrett: Das war so zu einhundert Prozent! Der Teller selbst ist ja ganz schön und nett. Aber: Es braucht auf gut Deutsch „Eier“, um über den Tellerrand hinauszuschauen, weil da ein freier Fall droht! Das kann wunderbar funktionieren, wenn man Ideen hat und hinter diesen Ideen steht - egal ob sie am Anfang erfolgreich sind oder nicht.
Aber es bedeutet auch viel Gegenwind, wenn man über den Tellerrand hinausblickt. Das kann Jahre dauern, bis die Leute um Sie herum verstehen, dass Sie jemand sind, der weiter geht. Vor allem ist die Gefahr groß, dass diese Personen die Türe sofort zu machen, sobald Sie denen Dinge erzählen, die über den Tellerrand hinausgedacht sind. Diese Reise dauert lange und ist sehr, sehr anstrengend! Wenn man die Reise allerdings macht und man dank seiner Durchsetzungskraft gut ist so ist dies natürlich der erfolgreichste Weg. Weil etwas zu wiederholen, zu kopieren oder nachzumachen ist nie so spannend wie etwas neu zu erfinden.
Wann darf man Ihrer Meinung nach den Begriff „Erfolg“ verwenden?
David Garrett: Meine Definition von „Erfolg“ ist, wenn man irgendwann die Augen zumacht, um von dieser Welt zu scheiden und dabei dann ein gutes Gefühl hat, weil man nichts ausgelassen hat … Ich glaube, dann hat man wirklich ein erfolgreiches Leben gehabt.
Ich bin ein Fan von Sachen einfach angehen und machen! Und nicht zögern. Ich glaube, man macht sich unglaublich viele Gedanken im Nachhinein. Hätte, sollen … Ich denke natürlich über viele Entscheidungen nach, aber die Tendenz ist bei mir ganz klar: „Komm wir machen das, wir probieren es aus!“
In Ihrer Autobiografie beschreiben Sie, dass Disziplinlosigkeit unter die Todsünden fällt, sobald es an die Arbeit geht. Können Sie das veranschaulichen?
David Garrett: Also, wenn es um Kunst geht, ist Disziplinlosigkeit wirklich eine Todsünde, denn Kunst geht aus einem selbst heraus. Man ist sozusagen sein eigener Chef. Das heißt, die Kunst leidet darunter, wenn da niemand ist, der einen motiviert.
Wenn man jetzt einen normalen Beruf ausübt, dann hat man natürlich das Wochenende, die Feiertage und die Familienfeste frei. Diese freien Tage habe ich mir alle nie gegönnt, weil ich die Kunst immer über alles gestellt habe ... Aber in einem normalen Beruf bekommt man zum Beispiel samstags nie jemanden an die Strippe. Für mich ist das völlig normal, an einem Samstag oder Sonntag auch bei beruflichen Anrufen ans Telefon zu gehen.
Erzählen Sie, wie Sie Ihren Beruf ausüben.
David Garrett: Ich lebe meinen Job! Und das vierundzwanzig Stunden am Tag, sieben Tagen die Woche. Der Grund ist nicht die Musik, sondern das Kreative hinter der Musik. Immer wieder zu überlegen, ob etwas gut genug ist oder ob es nicht noch eine bessere Idee gibt. Das Hinterfragen, ob die Gedanken wirklich ausgereizt sind. Das beschäftigt einen viel mehr als das eigentliche Üben.
Das Üben ist schnell erledigt und es gibt bestimmt Leute, die genau so viel üben wie ich. Aber diese zehn oder zwölf Stunden, an denen ich neben dem Üben noch wach bin, denke ich vollständig darüber nach, wie ich etwas kreativ noch besser machen kann. Zudem geht es dann natürlich auch um weitere Projekte und Ideen. Insofern geht es in meiner Freizeit immer um das Business, kreative Ideen, Neuentwicklungen, Schreiben oder Arrangieren. Es ist ganz, ganz schwierig da mal den Stecker zu ziehen, dass ich meinen Verstand dann wirklich ausschalte und meine Ruhe habe.
Hand aufs Herz: Ist das Streben nach Perfektion nicht manchmal frustrierend?
David Garrett: Das ist immer frustrierend! Da braucht man wirklich ein ganz dickes Fell, weil man mit sich selbst arbeitet. Man muss sich verbessern und ist dabei immer ein harter Kritiker. Das ist unglaublich anstrengend und auch sehr zermürbend.
Dabei muss man die Balance schaffen sich zu kritisieren aber eben nicht sich fertig zu machen. Diese Balance muss man lernen, denn es bringt nichts, wenn man sich mit seiner eigenen Kritik fertig macht und dadurch unter sich selbst leidet.
Sie haben sich Disziplin also zur Regel gemacht. Welche Auswirkungen hatte das für Ihre Karriere?
David Garrett: Die besten! Ohne Disziplin gibt es keine Karriere! Zumindest keine langfristige Karriere. Ich würde grundsätzlich sagen, dass es keine Karriere ohne Disziplin gibt. Und wenn man die Disziplin verliert, gibt es keine langfristige Karriere.
Wie kann man so eine Disziplin halten? Mit Blick auf unsere Leser: Welche drei Tipps haben Sie zum Bändigen des inneren Schweinehundes?
David Garrett: Erstens: Gesund leben! Das heißt gesund essen und auch wenn man keinen Sport macht, zumindest raus an die frische Luft und spazieren gehen. Ich glaube, dass wenn man einen Körper hat, der sich gesund anfühlt, ist man auch in zweiter Instanz leistungsfähiger. Sowohl im Körper als auch im Kopf.
Zweitens: Man sollte sich Motivation von Menschen holen, die man toll findet. Ich meine damit nicht nur Motivations-Reden. Sondern in meinem Fall zum Beispiel Künstler, die ich großartig finde. Ich besuche deshalb Konzerte. Das Erlebnis und die Emotionen im Publikum motivieren einen selbst weiterzuarbeiten und sich neue Ziele zu stecken.
Drittens: Die Lebensfreude dabei nicht verlieren! Bei aller Arbeit darf es nicht passieren, dass es zu obsessiv wird. Das ist meine schwierigste Baustelle. Ich bin manchmal zu obsessiv im Job. Die Aufgabe von den Menschen um mich herum ist unter Anderem auch mich zur Seite zu nehmen und zu ermutigen auch mal fünf Minuten Pause zu machen. Das heißt bei aller Arbeit trotzdem immer wieder ab und zu den Stecker ziehen! Erfolg bedeutet nichts, wenn es nur ein finanzieller Erfolg ist.
Um mit dem Thema Disziplin abzuschließen: Wie viele Stunden muss man Ihrer Meinung nach trainieren, bis man etwas wirklich virtuos beherrscht?
David Garrett: Ich kann dabei nur von der Geige ausgehen. Ich habe mit fünf Jahren angefangen und habe bestimmt durchschnittlich jeden Tag in meinem Leben viereinhalb Stunden geübt. Sagen wir pauschal vier Stunden. Ein Jahr hat 365 Tage und so richtig gut konnte ich dann mit achtzehn spielen. Also sagen wir dreizehn Jahre. Das sind dann knapp 20.000 Stunden.
Und glauben Sie, dass diese Schätzung allgemeingültig ist und auch außerhalb der Musik funktioniert?
David Garrett: Wenn man überlegt … Physik und Mathematik, wenn man darin wirklich Weltklasse sein will, wird man da sicherlich auf diese Stunden kommen. Das Minimum ist ja nur das, was man in der Schule lernt. Das Maximum hingegen hat doch kein Level. Das hat doch keine Grenze!