Rebell ohne Ecken und Kanten

Charme statt Show: Star-Geiger David Garrett in der Berliner Waldbühne

BERLIN - David Garrett ist ein netter Kerl. „Hallo Mutter“, ruft er am Mittwochabend bei seinem einzigen Deutschlandkonzert in die – laut Veranstalter „nicht ganz“ ausverkaufte – Berliner Waldbühne. Irgendwo in der Zuschauermenge hat sich US-Primaballerina Dove-Marie Garrett versteckt. Nur für sie, sagt er, spiele er aus Tschaikowskys „Schwanensee“. Müttern und Schwiegermüttern geht bei so etwas das Herz auf. David Garrett ist eben verdammt nett.

Aber zur Musik: Von Genre-Grenzen lässt sich der 32-jährige Star-Violinist bekanntlich nicht aufhalten. Die Geige, behauptet er, sei in der Lage, sich in jeden Musikstil einzupassen. Das stimmt nicht ganz. Schon der Auftakt – „We Will Rock You“ von Queen – gerät reichlich holprig. Garretts Arrangement setzt auf die Violine als Ersatz für den rauen Bariton in Freddie Mercurys Gesang. Das Ergebnis hat allerdings wenig mit dem rebellisch-kraftvollen Sound des Originals zu tun – auch, weil E-Gitarre und Violine eher konkurrieren als harmonieren. Stellt sich die Frage: Wer ist hier nun eigentlich der Star? Unbeirrt stemmt sich Garrett derweil, optisch verwegen inmitten einer meterhohen Rauchsäule, gegen das Zusammenspiel von Orchester und Band. Allzu oft – so auch bei „The Show Must Go On“ – verliert der exzentrische Sound der Violine gegen das opulente instrumentale Beiwerk. Der Applaus bleibt freundlich.

Tatsächlich ausspielen kann Garrett sein Talent bei leiseren Stücken – „Somewhere Over The Rainbow“ oder Chopins „Nocturne“ passen perfekt zum lauen Frühsommerabend. In sich und sein Instrument versunken, mit sehnsüchtiger Miene, entlockt er der Violine die kitschigsten Tonhöhen. Kein Zweifel: Der Mann beherrscht sein Handwerk. Schließlich tut er seit seinem dritten Lebensjahr nichts anderes. Den „Hummelflug“ von Rimski-Korsakow spielte er 2008 in nur 65,26 Sekunden – Weltrekord.

Allen beweisen kann er es immer noch. Den griechischen Folklore-Klassiker „Zorba’s Dance“ bringt er auf der Berliner Bühne mit reichlich Druck, während sich hinter ihm Tänzer des Deutschen Fernsehballetts beim Syrtaki abmühen. Ein Wiedersehen mit ihnen gibt es zu „Carmen“ – dieses Mal im Stile spanischer Flamenco-Tänzer. Und ja, das ist alles gut gemeint. Immerhin hat Garretts Show ein Konzept – er selbst nennt es eine „Reise durch die Welt der Musik“. Doch es fehlt an Nachdruck. Und an Liebe zum Detail. Der Effekt von sparsamer Pyrotechnik und halbherzigen Leinwanddesigns verpufft schnell im abendlichen Dämmerlicht.

Glück für Garrett: Sein Charme sorgt dennoch für Funkenschläge. Kein Song klingt an, ohne dass der Frauenschwarm eine selbstironische Anekdote zum Besten gibt. Single sei er übrigens auch noch. Schon geht ein hörbares Jauchzen durch die Reihen. Und dann holt er auch noch ein kleines Mädchen auf die Bühne. Ein Ständchen für Sophie. David Garrett ist wirklich verdammt nett. (Von Judith Görs)